Was ist die Niederspannungsrichtlinie?
Die Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU (NSR) oder englisch Low-Voltage-Directive (LVD) enthält Regelungen, die Sie für eine sichere Verwendung elektrisch betriebener Geräte beachten müssen. Dabei gilt die Niederspannungsrichtlinie für einen bestimmten Spannungsbereich, nämlich elektrische Betriebsmittel zur Verwendung bei einer Nennspannung zwischen 50 und 1000 Volt für Wechselstrom und zwischen 75 und 1500 Volt für Gleichstrom, wobei es Ausnahmen gibt.
Die Ausnahmen sind in Anhang II der Niederspannungsrichtlinie definiert.
Was zählt nicht zur Niederspannungsrichtlinie?
Folgende Betriebsmittel und Bereiche fallen nicht unter die Niederspannungsrichtlinie:
- elektrische Betriebsmittel zur Verwendung in explosiver Atmosphäre
- elektro-radiologische Betriebsmittel
- elektro-medizinische Betriebsmittel
- elektrische Teile von Personen- und Lastenaufzügen
- Elektrizitätszähler
- Haushalt-Steckvorrichtungen
- Vorrichtungen zur Stromversorgung von elektrischen Weidezäunen
- Funkentstörmittel
- spezielle elektrische Betriebsmittel, die zur Verwendung in Flugzeugen, auf Schiffen oder in Eisenbahnen bestimmt sind und den Sicherheitsvorschriften internationaler Einrichtungen entsprechen, denen die Mitgliedsstaaten angehören
- kunden- und anwendungsspezifisch angefertigte Erprobungsmodule, die von Fachleuten ausschließlich in Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen für ebensolche Zwecke verwendet werden
Wer muss die Niederspannungsrichtlinie einhalten?
Hersteller und Importeure/Inverkehrbringer von elektrischen Geräten in der EU müssen diese Richtlinie einhalten. Die aktuelle Richtlinie 2014/35/EU ist zwingend seit dem 20.April 2016 anzuwenden.
Was zählt zu elektrischen Betriebsmitteln?
Elektrische Betriebsmittel sind alle Gegenstände und Einrichtungen zum Erzeugen, Fortleiten, Verteilen, Speichern, Umsetzen und Verbrauchen elektrischer Energie. Beispiele dafür wären Generatoren, Kabel, Schalter, Steckdosen, Akkumulatoren, Transformatoren, Leuchten, Haushaltsgeräte, Motoren, Ladegeräte.
Was muss bei der Technischen Dokumentation nach Niederspannungsrichtlinie beachtet werden?
Seit 2016 wird eine Risikoanalyse und Risikobewertung verlangt. Hinweis: Die Maschinenrichtlinie fordert eine Risikobeurteilung. Zudem sind die anwendbaren Anforderungen aufzuführen und der Entwurf, die Herstellung und der Betrieb des elektrischen Betriebsmittels zu erfassen.
Folgende Dokumente und Unterlagen werden mindestens verlangt:
- eine allgemeine Beschreibung des elektrischen Betriebsmittels;
Entwürfe, Fertigungszeichnungen und ‑pläne von Bauteilen, Baugruppen, Schaltkreisen usw.; - die Beschreibungen und Erläuterungen, die zum Verständnis der genannten Zeichnungen und Pläne sowie der Funktionsweise des elektrischen Betriebsmittels erforderlich sind;
- eine Aufstellung, welche harmonisierten, nationalen oder internationalen Normen vollständig oder in Teilen angewandt worden sind;
- Hinweis
WICHTIG: Bei Nichtanwendung muss genau dokumentiert werden, warum vom Standard abgewichen wird und wie die Sicherheitsziele der Normen trotzdem erreicht werden.
- die Ergebnisse der Konstruktionsberechnungen, Prüfungen usw.;
- Prüfberichte.
Muss die CE-Erklärung (EU-Konformitätserklärung) nach Niederspannungsrichtlinie dem Endkunden bereitgestellt werden?
Nein, die CE-Erklärung (richtigerweise „EU-Konformitätserklärung“ gemäß Niederspannungsrichtlinie) muss dem Kunden bzw. Endkunden nicht bereitgestellt werden.
Allerdings muss der Hersteller eine schriftliche EU-Konformitätserklärung für ein Produktmodell ausstellen und sie zusammen mit den technischen Unterlagen zehn Jahre ab dem Inverkehrbringen des elektrischen Betriebsmittels für die nationalen Marktüberwachungsbehörden bereithalten. Aus der EU-Konformitätserklärung muss hervorgehen, für welches elektrische Betriebsmittel sie ausgestellt wurde. Auf Verlangen der zuständigen Marktüberwachungsbehörden muss eine Kopie der EU-Konformitätserklärung zur Verfügung gestellt werden.
Wir empfehlen trotzdem, dem Kunden die EU-Konformitätserklärung zur Verfügung zu stellen, entweder als Teil der mitgelieferten technischen Dokumentation oder beispielsweise online abrufbar. Das erhöht das Vertrauen des Kunden in das Produkt und in den Hersteller.
- Hinweis
Nicht vergessen: Dem Kunden muss trotzdem die Konformität des Produkts mit der Niederspannungsrichtlinie mitgeteilt werden. Und zwar, indem der Hersteller die CE-Kennzeichnung an jedem einzelnen elektrischen Betriebsmittel anbringt.
Was muss die CE-Erklärung (EU- Konformitätserklärung) nach Niederspannungsrichtlinie enthalten?
- Hinweis
Die Angabe der fortlaufenden Nummer ist freiwillig.
EU-KONFORMITÄTSERKLÄRUNG (Nr. XXXX) |
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1 Produktmodell/Produkt (Produkt‑, Chargen- Typen- oder Seriennummer) |
2 Name und Anschrift des Herstellers oder seines Bevollmächtigten. |
3 Klärung der Verantwortung für die Ausstellung. |
4 Gegenstand der Erklärung (Bezeichnung des elektrischen Betriebsmittels zwecks Rückverfolgbarkeit; deutliche Farbabbildung möglich). |
5 Erklärung, dass die einschlägigen Richtlinien der Union erfüllt werden. |
6 Angabe der einschlägigen harmonisierten Normen, die zugrunde gelegt wurden, oder Angabe der anderen technischen Spezifikationen. |
7 Zusatzangaben |
8 [Ort und Datum], [Name, Funktion], [Unterschrift] |
Konformitätserklärung Muster (Downloads)
Hier finden Sie eine Muster CE-Erklärung (EU- Konformitätserklärung) nach Niederspannungsrichtlinie. Diese Beispiel CE-Erklärung (EU- Konformitätserklärung) enthält alle geforderten Angaben für ein beispielhaftes elektrisches Betriebsmittel. Sie müssen natürlich die Angaben auf Ihr Produkt anpassen.
Wie wird die Niederspannungsrichtlinie in Deutschland umgesetzt?
Die Umsetzung der Richtlinie in Deutschland erfolgt durch die 1. Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz, kurz ProdSG (vormals GPSG).
Wie erfolgt die Konformitätsbewertung und CE-Kennzeichnung nach Niederspannungsrichtlinie?
Der Nachweis der Übereinstimmung eines elektrischen Betriebsmittels mit der Niederspannungsrichtlinie erfolgt durch ein Konformitätsbewertungsverfahren. Dazu müssen anwendbare Normen identifiziert und technische Unterlagen und Dokumentationen erstellt werden, beispielsweise eine Risikoanalyse, eine Betriebsanleitung und Sicherheitsinformationen.
Geregelt ist auch die ordnungsgemäße Kennzeichnung auf dem Gerät oder auf der Maschine, unter anderem mittels CE-Zeichen.
Welche Richtlinien und Gesetze sollen neben der Niederspannungsrichtlinie noch für elektrische Geräte angewandt werden?
Welche Richtlinien außerdem für elektrische Geräte und Betriebsmittel angewendet werden können, hängt vom Produkt selbst ab. Relevant sind meist folgende:
- EMV-Richtlinie 2014/30/EU — Elektromagnetische Verträglichkeit
- Funkanlagen-Richtlinie 2014/53/EU (RED bzw. früher R&TTE-Richtlinie)
- RoHS-Richtlinie 2011/65/EU – Stoffverbote (Restriction of certain Hazardous Substances)
- WEEE-Richtlinie 2012/19/EG – Elektroaltgeräteentsorgung (Waste of electrical and electronic Equipment)
- Eco-Design-Richtlinie 2009/125/EG (auch EuP-Richtlinie, umweltgerechte Gestaltung energiebetriebener Produkte)
- Hinweis
Gerade im Bereich elektrischer Geräte müssen vor Inverkehrbringen unbedingt die nationalen Gesetze der Zielmärkte genau geprüft werden. So ist in Deutschland beispielsweise das Elektrogesetz (ElektroG) anwendbar und enthält zusätzliche Regelungen.
Muss die Technische Dokumentation (Betriebsanleitung, Bedienungsanleitung, Handbuch, Gebrauchsanweisung) in die Landessprachen der Zielmärkte übersetzt werden?
Ja, Sie sind zwingend verpflichtet, alle Informationen, die Sie dem Kunden/Betreiber/Endanwender mit dem Produkt mitliefern müssen, in eine für diesen verständliche Sprache zu übersetzen.
Ein Produkt, das Sie nach Spanien verkaufen, sollten Sie zwingend mit Begleitdokumenten (wie Betriebsanleitung) in spanischer Sprache liefern. Doch Vorsicht bei Ländern, in denen es mehrere Amtssprachen gibt (z. B. Schweiz, USA, Kanada). In diesem Fall sollten Sie die Dokumente in allen Amtssprachen liefern, oder mit dem Kunden vertraglich vereinbaren, welche Sprachen Sie zu liefern haben.
Aber auch hier Vorsicht: Auch wenn Sie vertraglich vereinbaren, dass Sie die Dokumente z. B. nur in Englisch ausliefern, obwohl das Zielland Spanien ist, sind Sie verpflichtet, auch eine spanische Version zu liefern. Im Zweifel oder Streitfall stehen die EU-Richtlinien mitunter über den individuellen vertraglichen Vereinbarungen.
Muss die Niederspannungsrichtlinie zusätzlich zur Maschinenrichtlinie angewandt werden?
Gemäß Maschinenrichtlinie (Anhang 1 Punkt 1.5.1) soll die Niederspannungsrichtlinie nicht deklariert werden. Das heißt, wenn Sie bereits die Maschinenrichtlinie anwenden müssen, besteht betreffend Konformitätsbewertung und Inverkehrbringen und/oder Inbetriebnahme von Maschinen ausschließlich die Notwendigkeit zur Anwendung der Maschinenrichtlinie.
Wir empfehlen allerdings die Betrachtung nach beiden Richtlinien, um das Risiko weitgehend zu minimieren. Denn: gemäß Maschinenrichtlinie gelten die Schutzziele der Niederspannungsrichtlinie auch für Maschinen.
Welche Schutzziele fordert die Niederspannungsrichtlinie?
Die Niederspannungsrichtlinie (Anhang 1) formuliert die folgenden Anforderungen an Schutz und Sicherheit:
- Wichtige Merkmale auf dem Produkt oder der Verpackung angeben; alternativ Hinweise im Begleitdokument.
- Ordnungsgemäße oder sichere Verbindungen und Anschlüsse vorsehen.
- Bei bestimmungsgemäßer Verwendung und angemessener Wartung darf keine Gefahr entstehen.
- Bei direkter oder indirekter Berührung von Mensch und Tier darf keine Gefahr entstehen.
- Es dürfen keine gefährlichen Temperaturen, Lichtbogen oder Strahlungen entstehen.
- Der Schutz von Mensch und Tier vor nicht elektrischen Gefahren des Betriebsmittels muss auch gegeben sein.
- Die Isolierung muss entsprechend der Beanspruchung ausgelegt werden.
- Produkt so auslegen, dass mechanischen Beanspruchung gefahrlos ausgehalten werden.
- Produkt so auslegen, dass nicht mechanische Einwirkungen unter vorgesehenen Umgebungsbedingungen gefahrlos ausgehalten werden.
- Vorhersehbare Überbelastungen darf nicht zu gefährlichen Situationen führen.
Diese Anforderungen sind nicht auf elektrische Sicherheit beschränkt.
Der Hersteller muss auch andere Gefährdungen in der Risikoanalyse beachten, die von seinem elektrischen Produkt ausgehen.